Montag, 19. März 2007

Vom Übel der Dreisprachigkeit

In den letzten Tagen habe ich viel recherchiert, wohl auch, um mein Gewissen zu beruhigen, denn die Reaktionen der Familie auf unsere Umzugspläne sind doch eher negativ und gehen mit nicht nur unterschwelligen Vorwürfen einher.

Einer der Bereiche, der beunruhigt, ist der Spracherwerb. Yair wächst zweisprachig auf, bald kommt eine dritte Sprache hinzu -- (wie) wird das den Erwerb seiner beiden Muttersprachen beeinflussen oder stören? Viel Forschung zum Thema Dreisprachigkeit scheint es nicht zu geben, aber was ich finde, klingt eigentlich recht positiv.

Zunächst einmal scheint es einen Trend zur multilingualen Familienkonstellation zu geben:
Es scheint, dass Dreisprachigkeit ein wachsendes Phänomen ist, z.B. die steigende Zahl von Familien, die berufsbedingt von Land zu Land ziehen. Es entstehen zunehmend mehr Familien, in denen die Eltern unterschiedliche Muttersprachen sprechen, die jeweils nicht die Sprache des Landes ist, in dem die Familie lebt.
Wir sind also kein Einzelfall. Die Welt wird mehr und mehr zum globalen Dorf, das muss man akzeptieren. Damit gehen auch Entwicklungen wie diese einher, und man muss sich arrangieren. Das relativ einfach gestrickte Modell "one parent, one language", kurz OPOL, reicht da nicht mehr aus. So heisst es:
Für das erfolgreiche Aufwachsen mit drei Sprachen ist es wichtig, dass Eltern ein Rezept für ihre Familie entwickeln, das natürlich komplexer sein kann als die oft vertretene „Eine Person - eine Sprache“-Regel. Dreisprachigkeit ist oft einer stärkeren Dynamik ausgesetzt als Zweisprachigkeit und benötigt mehr Flexibilität seitens der Familie.

Deshalb suchen wir für Yair einen Kindergarten, in dem auch Hebräisch-sprechende Kinder sind, und ich werde mich bei einer deutschen Spielgruppe anmelden, damit die beiden Muttersprachen neben der Umgebungssprache nicht zu kurz kommen.

Positiv stimmt mich, dass zwischen Zweisprachigen und Dreisprachigen in der Regel nur wenige Unterschiede festgestellt werden und dass Dreisprachige in manchen Untersuchungen Zweisprachigen sogar überlegen zu sein scheinen. Dennoch macht sich die Tatsache, dass dreisprachige Menschen vergleichsweise ein viel grösseres Vokabular besitzen, doch irgendwie bemerkbar. Es heisst:
Es ist wohl so, dass es bei Dreisprachigen noch stärkere Abweichungen bezüglich des Wortschatzes gibt: Bestimmte Lebensbereiche werden oft nur durch eine der drei Sprachen erfasst.

Generell ist sich die Forschung wohl einig darüber, dass Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, kognitiv flexiber und damit effizienter sind. Dass Multilingualität als etwas potenziell Gefährdendes betrachtet wird, schein vielmehr ein Phänomen der westlichen Welt zu sein:

[...] it is surprising how many languages a child’s brain can acquire as long as she is receiving interaction and exposure in all of them. Think for a moment of all the tribes of Africa, who grow up speaking more than one tribal language and usually learn a fluent lingua franca as well spoken by the whole country (e.g. English in Ghana). Multilingualism on a grand scale is commonplace in many countries – it seems to be only in Western countries that we regard it with any alarm!


Sollten wir uns also zu viele Gedanken machen? Sollten wir uns schlecht fühlen, weil wir unserem Kind sowas antun? Ich glaube nicht. Wichtig ist, dass wir versuchen, Hebräisch und Deutsch als Muttersprachen zu fördern, so gut es geht. Englisch wird Yair durch die Umgebung von ganz alleine lernen.

Quellen:
http://www.sozialnetz.de/ca/qq/ssj/
http://en.wikipedia.org/wiki/Trilingual
http://en.wikipedia.org/wiki/Cognitive_advantages_to_bilingualism
http://www.bilingualbabies.org/

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Jeanne, früher warst Du auch dreisprachig. Am Abend sprachst Du noch gestochenes Hochdeutsch, nach dem dritten Paderpils wechselte das dann in eine spezielle Form des "Warsteiner Platts". Kam dann noch ein Napf Herrencreme dazu, trat ein seltener Dialekt zutage, über den sich die Forschung allerdings noch nicht ganz im klaren ist... :)

Jeanne hat gesagt…

Hihi. Ja, DAS waren noch Zeiten, was? :-)

Anonym hat gesagt…

hallo jeanne!

ich lese deinen blog sehr gerne, unter anderem auch, weil ich deine überlegungen und entscheidungen sehr spannend und für mich hilfreich finde. grundsätzlich: ich finde deine entscheidung, deinen mann nicht nur zu unterstützen, sondern ihn auch noch dazu zu "drängen/bewegen/ständig ermuntern", in die usa zu gehen, um zu lernen, was er lernen will, sehr sehr richtig. und bewundernswert.

zur dreisprachigkeit: lange galt ja schon zweisprachigkeit in erster linie als problem.. heute versuchen eltern alles, um ihrem kind möglichst früh englisch zu vermitteln. ich bin der meinung, dass kinder immer noch viel anpassungsfähiger sind, als wir uns das so vorstellen können. und wenn du dann noch viel zeit hast, um ihn darin zu unterstützen (so wie du es wohl geplant hast): um so besser!

ich lebe übrigens mit einem italiener in italien und unsere umgangssprache ist englisch (das geht auch irgendwie nicht weg.. ;-)). hofentlich baldiger nachwuchs hat also auch drei sprachen um sich rum.

ach und als letztes zu deinen usa-plänen: ich finde, dass die option ausland auch und gerade für dich sehr attraktiv ist. eine (zwangs-) auszeit vom berufsalltag, viel energie für deine familie und natürlich dich selbst und nicht zuletzt leben in einem anderen land. ich würde sofort gehen (natürlich nur mit gutem grund von diesem wunderschönen fleckchen erde hier weg). ich glaube auch, wenn du erstmal die erste heimat verlassen hast, fallen solche abschiede auch leichter, besonders wenn ihr wisst, wo es wieder hin zurück geht.

hui, ein kommentar mit überlänge..

grüße aus italien, anna

Anonym hat gesagt…

Hi, Jeanne:
Meine "hochwissenschaftliche" Meinung ;-)
ist, dass jede Sprache wie ein eigener
Ort ist. Kein Geografischer natürlich
aber ein Ort in unserem Inneren. Familie,
Alltag, Religion, Freunde, Partner, Kinder..... das sind alles "Orte" und jeder Ort hat seine eigene Sprache mit
eigenen Wörtern. Ich denke dass man soviel
in einer Sprache lernt wie man braucht um
sich an jenem Ort auszudrücken. Es kann auch eine Art um die Orte von einander
zu trennen. Wenn Du Dich zum Beispiel
im Alltag auf Hebräisch und mit deinem
Mann auf englisch unterhältst dann machst du eine Trennung zwischen euren
vier Wänden und der Welt des Alltags.
Ich glaube dass im Generationenwechsel
für Dich eine Entscheidung ist auf
welcher Sprache Du dich mit deinem Sohn
unterhältst. Aber für deinen Sohn bekommt dadurch der "Ort" an dem er sich
mit dir unterhält eine eigene Sprache.

Und auch mit eurer Entscheidung in die
USA zu gehen ist es ähnlihch. Obwohl
auch vieles davon abhängen wird, wie er
es aufnimmt, ob Englisch für ihn die sprache des Alltags wird oder ob es Ivrit bleibt.

Ich glaube auch das das was du in deinem
Post zitiert hast, dass der Wortschatz
in den einzelnen Sprachen unterschiedlich ist auch davon abhängt
dass an den unterschiedlichen Orten
unterschiedliche Dinge wichtig und
interessant sind.

Jakobo

Jeanne hat gesagt…

Danke für eure ermutigenden Kommentare und Gedanken. Gestern war ich kurz davor, alles hinzuwerfen, heute denke ich schon wieder, dass wir das richtige tun.

Sprache als Ort zu betrachten finde ich spannend. Mit diesem Gedanken kann ich mich identifizieren.

@Anna: Wir haben anfangs auch nur Englisch miteinander geredet, inzwischen aber meist Hebräisch. Dieser Wechsel hat sich allmählich vollzogen. Ich hätte nie gedacht, dass das mal möglich sein würde.

Anonym hat gesagt…

Auf den Gedanken eine Sprache als Ort
aufzufassen bin ich gekommen weil ich
oft gefragt werde: "Welche sprache
sprichst Du besser?" Oder mit welcher
Sprache fühlst Du dich wohler? Es ist
für mich unmöglich eine Antwort darauf
zu finden mit der ich zufrieden bin.
Also horcht man etwas in sich hinein
und erfindet so seine eigenen Bilder
und Vergleiche.

Jakobo

stockholm hat gesagt…

Hallo Jeanne,

die Dreisprachigkeit wird sicher klappen!

Ein paar Dinge wollte ich anmerken:

1. Ihr könnt die "schwächste" Sprache, die die Yair am wenigsten oder von am wenigsten Personen zu hören bekommt, sehr gut mit Hörspielen, Lieder-CDs und Filmen fördern. Wenn Kinder nur in der schwächsten Sprachen "fernsehen" (in echt ist es ja DVDs schauen) dürfen, dann hat diese schwache Sprache für sie trotzdem etwas sehr positives.

3. Überlegt Euch, was Yair von wem lernen kann, und was eher nicht. Als Beispiel: Ich habe spanische Eltern kennengelernt, die glaubten, ihrem Kind das in den USA in einen englischsprachigen Kindergarten ging, Englisch beibringen zu müssen. Sie redeten ständig mit iherm schrecklichen Akzent auf das Kind ein. Das Kind spricht jetzt mit 3,5 Jahren weder verständliches Spanisch, noch Englisch. Aber den Fehler wirst Du sicher nicht machen :)

3. Ich weiss nicht, ob Du IDA schon kennst, da gibt es viele gute Tips:
http://web-wren.com/IDA/ImAusland/maus_index.html

Viele Grüsse aus München,

Nora

Jeanne hat gesagt…

Danke für die Tips, Nora! Und ja, IDA kenne ich schon. Bin seit Jahren bei ImAusland und seit ein paar Wochen bei DeutschUSA dabei (lese aber meist nur mit, melde mich selten). Danke!

Anonym hat gesagt…

Hallo ? Unser Kind wächst auch dreisprachig auf. Ist jetzt 2 Jahre alt und fängt an zu reden.

Anonym hat gesagt…

Hallo prinzregent,

habt ihr von Anfang an drei Sprachen mit dem Kind gesprochen? Nach welchen Regeln? Mein Mann (Angehoeriger der koreanischen Minderheit in China) und ich wohnen in China und erwarten in zwei Monaten unser erstes Kind. Meine Schwiegermutter, die sich viel um das Kind kuemmern wird, wird Koreanisch mit dem Kind sprechen. Ich hoffe, dass ich dabei auch etwas lernen werde, denn mein Koreanisch ist noch nicht der Rede wert. Ich selbst werde auf Deutsch mit dem Kind sprechen. Aber mein Mann kann sich momentan noch nicht so recht entscheiden. Am besten spricht er Chinesisch. Und dies ist auch der einzige gemeinsame Nenner zwischen seiner Mutter, ihm und mir und unserer Lebensumgebung. Aber auch sein Deutsch ist sehr gut und Koreanisch ist seine Muttersprache, aber halt nur auf einem sehr einfachen Niveau fuer den familiaeren Gebrauch. Wenn er Koreanisch spricht, mischt er immer wieder chinesische Woerter ein. Wir sind nun am Ueberlegen, ob er von Anfang an Chinesisch mit dem Kind spricht oder sich fuer entweder Deutsch oder Koreanisch entscheidet und wir mit dem Chinesisch warten, bis das Kind hier aufgrund der Umgebung (Kindergarten, Besuch von Kollegen und Freunden, ...) im ausserfamiliaeren Umfeld mit dieser Sprache konfrontiert wird. Wir hatten eben auch Angst, dass wir das Kind nur verwirren, wenn von Anfang an drei Erwachsene in verschiedenen Sprachen auf es einreden. Aber nachdem ich von euren positiven Erfahrungen gelesen habe...