Mittwoch, 31. Januar 2007

Umplanen...

... müssen wir wohl. Da hatten wir vor, morgen endlich einmal zum Hermon zu fahren (mein erstes Mal!) und ein bisschen Schnee zu schnuppern. Schon vor Wochen haben wir diesen Tag ins Auge gefasst, und ich habe mich schon darauf gefreut, heute Abend alle möglichen Leckerein für unterwegs vorzubereiten. Und dabei haben wir völlig vergessen, dass doch Tu BeShvat ist und im Kindergarten gebührend begangen wird. Das darf Yair auf keinen Fall verpassen! Also wieder kein Schnee. So ist das eben. Ich lebe nun mal in Israel.

Von Träumen und Schlafprinzen

Heute Morgen bin ich von einem fernen Scheppern erwacht. Kurz darauf höre ich meinen kleinen Spatz auf leisen Sohlen durch den Flur schleichen. Dann steht er plötzlich in unserer Zimmertür, völlig verschlafen: in der einen Hand hält er seinen Wasserbecher, in der anderen zieht er seine Bettdecke hinter sich her... Das war wirklich zu süß! Ich habe sogar Shai geweckt, damit er sich das Schauspiel ansehen kann. Im selben Moment ging dann auch schon mein Wecker.

Zu meinem Glück hat Yair in unserem Bett, unter seiner Decke, gleich weiter geschlafen. Ein paar Minute lang hat er zwar testend seine Hand in meine Haare gewühlt, damit ich auch nicht verschwinde, aber dann konnte ich mich leise davonstehlen. Als ich aus dem Haus ging, war noch alles ruhig.
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Ich habe schon lange nichts mehr von Shais Bemühungen erzählt, seinen MBA in den USA zu machen -- sein Traum, seit ich ihn kenne, aber in Angriff genommen hat er ja erst etwas, als ich ihn vor knapp zwei Jahren drängte, nicht immer nur zu jammern (vor allem, weil sein bester Freund jetzt in Berkley studiert), sondern endlich mal etwas zu unternehmen. Daraufhin hat er den GMAT-Vorbereitungskurs gemacht, dann den Test erfolgreich bestanden, den TOEFL hinterhergeschoben und die ersten Bewerbungen im Januar 2006 eingereicht. Allesamt abgelehnt.

Die Frustration war gross, der Wille grösser, also hat er es im Oktober 2006 noch einmal versucht -- gleiche Schulen, gleiches Ergebnis. Als im Dezember die Absagen eintrudelten, ist er in eine richtige Depression gestürzt, hat sich dann aber entschlossen, koste es was wolle, sich in der zweiten Runde bei anderen, ein kleines bisschen weniger renommierten Unis zu bewerben.

Daraufhin hat er innerhalb von zwei Wochen gleich 5 Bewerbungen rausgehauen. Tag und Nacht hat er daran gearbeitet, ist herumgelaufen wie ein Zombie. Jetzt gehen langsam die Einladungen zum Interview ein. Heute hat er sein erstes für Duke, nächste Woche Cornell, später dann Tuck. Dabei macht es ihm im Job derzeit wieder so viel Spass, dass ohnehin nicht feststeht, ob wir den Schritt wirklich machen würden, wenn er eine Zusage bekäme. Das bleibt also abzuwarten...

Häschen hüpf

Ufff, bin ich müde. Nachdem ich gerade schon neben Yair eingeschlafen bin, will ich es für heute kurz machen, damit ich mich gleich wenigstens noch ein bisschen weiter durch meinen Weihnachtsschmöker lesen kann, "Der Schwarm" von Frank Schätzing.

Anstrengend war's heute mit meinem Spatz. Wir waren mit Dana und Hadar in Bazra; dort macht es Yair eigentlich immer Spass und er tobt ausgelassen und selbstbewusst herum. Aber heute liess er mich nicht mal in Ruhe einen Kaffee trinken; immer musste ich in seiner Nähe bleiben und ihm beim Hüpfen zugucken (das macht er zur Zeit am liebsten, mein kleiner Frosch). Ich glaube, diese Woche ist sehr schwer für ihn, weil ich letzte Woche so viel mehr Zeit mit ihm verbracht habe und jetzt plötzlich morgens wieder früh zur Arbeit gehe. Sobald ich da bin, lässt er mich nicht mehr los.

Das heisst aber natürlich nicht, dass er lieb und anhänglich ist wie ein Lamm. Später zu Hause ist mir mal wieder ein Löffel mit Griessbrei um die Ohren geflogen, und er hat akribisch die Titelseite von einem seiner Bücher abgezogen. Hauchdünn. Feinstarbeit. Wenn ich schimpfe, lacht er sich kaputt. Das macht ihm herzlich wenig. Er ist halt doch ein kleiner Rackerbass. Aber ein liebenswerter.

Jetzt werde ich mich noch ein bisschen zu meinem Göttergatten setzten, einen Tee schlürfen, und mich dann mit meinem Buch ins Bett verziehen. Gute Nacht!

Dienstag, 30. Januar 2007

Blame it...

... on the weatherman! Da regnet es hier mal wieder ein bisschen, und schon gerät alles aus den Fugen. Im Büro ist uns heute Morgen schon zwei Mal das Licht ausgegangen -- Stromausfall. Das Mittagessen wird voraussichtlich mit Verspätung geliefert, "weil es regnet." Und welche Staus es heute morgen gab, möchte ich gar nicht wissen. Da sass ich hier schon sicher im Trockenen.

Übrigens musste ich mich wieder mal über israelische Qualitätsarbeit aufregen. Im Zimmer meines Sohnes pfeift uns dermassen der Wind um die Ohren, als hätten wir vergessen, das Fenster zu schliessen. Festgestellt am Sonntagabend, als es kräftig stürmte (draussen).

Montag, 29. Januar 2007

Kennt das jemand?

Mein Mann will immer nichts wegwerfen. "Wieso, der ist doch noch gut?" sagt er beispielsweise, als ich diesen alten wackeligen Hocker, den wir damals von seinen Eltern mitgenommen haben, endlich entrümpeln will. Oder "Die war damals sehr teuer, und da ist doch nocht nichts dran!" als ich mit spitzen Fingern eine alte, scheussliche Lederjacke aus dem Schrank ziehe. Ganz zu schweigen von den Unmengen alter Hosen und Pullis, von denen er sich einfach nicht trennen will.

Gestern nun haben wir endlich ein passendes Kinderzimmer für Yair bestellt. Schrank, Regal, Tisch, Bett. Das heisst natürlich, dass wir die alten Möbel aus Shais Jugendzeit, die zur Zeit noch im Zimmer stehen (abgesehen von dem Gitterbettchen und der Wickelkommode), irgendwie entsorgen oder verschenken müssen. Ich bin mir nicht sicher, ob Shai das bewusst ist, also wappne ich mich innerlich schon für einen schweren Überzeugungskampf. Sobald Yair im Bett ist, starte ich den ersten Anlauf. "Du, wir müssen dann mal schauen, was wir mit dem alten Schrank machen." "Ja, klar", kommt sofort die Antwort. "Vielleicht können wir irgendwo inserieren." Ich bin völlig perplex.

Durch seine Einsicht ermutigt, schlage ich vor, das Jugendbett ins Arbeitszimmer zu verfrachten, damit wir es dort weiterhin als Gästebett benutzen können, und stattdessen das beige Sofa, das wir nach dem Tod seiner Oma zu uns genommen haben, auszuquatieren. "Das geben wir meinen Eltern," entscheidet er zu meiner Erleichterung sofort. Dann schiebt er nach: "Also, es ist ja eigentlich wirklich sehr schön. Wenn wir mehr Platz hätten, würde ich es auf jeden Fall behalten wollen." Da ist es also wieder! Und innerlich sende ich ein Stossgebet zum Himmel, dass wir uns damals nur diese vier Zimmer leisten konnten und wohl noch eine Weile hier wohnen bleiben werden.

Mutterherz

Heute Morgen habe ich mich mit Tränen in den Augen aus dem Haus geschlichen. Yair stand oben vor dem Törchen am Treppenabsatz und hat herzzreissend geweint und nach "Ima!!!" verlangt. Noch ein paar Minuten vorher, als er kurz wach geworden war, bin ich bei ihm gewesen und habe ihm über sein kleines, verschlafenes Gesichtchen gestreichelt. "Ima, tischeni!" (Mama, schlaf!) forderte er mich ganz zärtlich auf, aber da war ich schon längst geduscht und angezogen. Und während er noch einmal in einen leichten Schlaf sank, bin ich leise die Treppe heruntergegangen. Habe das frische Brot aus dem Backautomat genommen, damit es auskühlen kann, mir meine Schuhe angezogen und mir dann Jacke und Tasche geschnappt. In der Zwischenzeit wurde Yairush vollends wach und suchte mich verzweifelt. Sein Weinen und seine "Ima!"-Rufe wurden immer dringlicher, je mehr er begriff, dass ich mich schon auf und davon gemacht hatte. Er wusste ja nicht, dass ich noch unten weilte, voller Schuldgefühle und mit wehem Herzen...

Jetzt also Eilat

Diesmal, zum ersten Mal, hat es also Eilat getroffen. Eine kleine Bäckerei in einer Touristenhochburg, wenngleich weit entfernt von den überlaufenen Stränden, in einer abgelegenen, ruhigen Siedlung. Es kann ja auch nicht angehen, dass die Monate, schon neun an der Zahl, ohne einen einzigen Selbstmordanschlag verstreichen. Abgesehen von den Raketen, die immer mal wieder auf uns abgefeuert werden, war es seit April einfach zu ruhig hier. Das ironische an diesem Anschlag ist, dass er laut Islamic Jihad dazu dienen sollte, die wochenlangen Kämpfe zwischen Fatah und Hamas zu beenden.

Ich werde nie begreifen, was in diesen Selbstmordattentätern vor sich geht. Oder in ihren Eltern. Mama und Papa Saqsaq aus Gaza City, die ihren 21jährigen Sohn vor drei Tagen zuletzt gesehen haben, wussten, dass er dabei war, einen Anschlag zu verüben, und "beteten für seinen Erfolg". Wahrscheinlich feiern sie jetzt ausgelassen triumphierend, während ihr Junge sich im Jenseits mit schönen Jungfrauen vergnügt. Da wird mir wirklich übel.

Ach, es wäre auch zu schön gewesen, mit meinen Eltern kurz nach Pessach für ein paar Tage am Roten Meer auszuspannen. Fast hätten wir schon gebucht. Jetzt möchten sie sicher das Risiko nicht eingehen. Und kann ich es ihnen verübeln? Es ist zum heulen.

Sonntag, 28. Januar 2007

"Späte Familie"

Ich sehe gerade, dass Grenzgänger begeistert von Zeruya Shalev berichtet, mit einem Hinweis auf diesen Zeit-Artikel. Ich habe ihre Romane vor einigen Monaten auch verschlungen. Am besten gefallen hat mir allerdings der letzte, "Späte Familie". Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit die Autorin ein so realistisches Bild zeichnet (ein so trauriges!), und in welch sprachlicher Schönheit (sofern ich das beurteilen kann -- ich habe schliesslich nur die deutsche Übersetzung gelesen; ich nehme aber an, dass das hebräische Original sprachlich noch differenzierter und vielschichtiger ist, denn Mehrdeutigkeit ist im Hebräischen ja sehr verbreitet).
Nicht selten hat sich mir beim Lesen die Kehle zugeschnürt, und ich habe mir geschworen, unsere Familie zusammenzuhalten, komme was mag.

Samstag, 27. Januar 2007

Kindermund

Ich habe schon lange nicht mehr Yairs neueste Äusserungen festgehalten. Hier also ein paar davon:
  • Im Auto, als ich ihn an einem Freitag zum Kindergarten bringe, während Shai zu Hause bleibt: "Ima, shachachnu et aba!" (Mama, wir haben Papa vergessen!)
  • Im Bett, mir sein Fläschchen reichend: "Ima, lo owed li, ha bakbuki." (Mama, das Fläschchen funktioniert nicht für mich.)
  • Morgens, kurz nachdem er aufgewacht ist: "Ani lo margish tov, ima." (Ich fühle mich nicht gut, Mama.) "Nein, Spatzi? Was hast du denn?" "Yesh li chom." (Ich habe Fieber.) Ich fühle seine Stirn, aber die ist kühl wie fast immer.
  • Andere Variante: "Ima, ani lo margish tov." (Mama, ich fühle mich nicht gut.) "Was hast du denn, Spatzi?" "Kol haGuf koew li. Achalti tutim." (Mein ganzer Körper tut weh. Ich habe Erdbeeren gegessen."Das sagt er in Anspielung auf die Geschichte vom Löwen, der immer nur Erdbeeren essen will und der danach ganz fürchterliche Bauchschmerzen hat. Gestern hat Yair nämlich auch Erdbeeren gegessen und wollte immer mehr, bis ich ihm schliesslich die letzte gereicht habe mit der Bemerkung, er kenne doch den armen Löwen -- zu viele Erdbeeren wären ungesund. Kurz darauf dann diese Unterhaltung.
  • Auf die Frage "Welcher Yair bist du?": "Alfandary. We melech. We chamud." (Alfandary. Und ein König. Und süß.) Das kommt, weil seine Kindergärtnerin, die einen Narren an ihm gefressen hat, ihm immer sagt, er sei ein König.
  • Im Auto, noch halb verschlafen, als ich vorm Haus aus der Parklücke setze: "Bye bye, beit!" (Auf Wiedersehen, Haus!)

Ganz zu schweigen von den Geschichten, die er neuerdings erzählt. Papa sei auf einen Baum geklettert und heruntergefallen, zum Beispiel. Manchmal kann ich kaum glauben, dass er noch keine zwei Jahre alt ist.

Wieder komplett

Jetzt ist unsere Familie wieder vollständig. Heute Nachmittag haben wir Shai vom Flughafen abgeholt. Yair ist losgelaufen wie ein Blitz, als er ihn auf uns zu kommen sah, und war ganz ausser sich vor Freude. Die steigerte sich noch, als Shai ihn zu einer Runde Rolltreppefahren einlud. Rolltreppen findet er super.

Die gesamte Geburtstagsüberraschungsaktion ist jedenfalls gelungen. Papa war völlig von den Socken, als er Shai plötzlich spätabends vor der Tür stehen sah, und Shai hatte ein paar schöne Tage mit meinen Eltern. Sogar mit Opa und Oma hat er sich gut unterhalten.

Meinem Opa fällt es allerdings schwer zu begreifen, dass Shais Deutsch enorme Fortschritte gemacht hat. Er verständigt sich immer noch mit ihm, als sei er hochgradig behindert. "Shai, komm essen!" sagt er beispielsweise und führt seine Hand dabei immer wieder zum Mund, um seinen Worten bildlich Ausdruck zu verleihen. Bis meine Oma schliesslich sagt, "Siegfried, es ist gut, der Junge versteht dich auch so!"

Jetzt hätte ich fast vergessen zu erzählen, dass Yairi eben zum ersten Mal Pipi auf der Toilette gemacht hat. Ganz stolz war er. Wir auch. :-)

Donnerstag, 25. Januar 2007

Was wäre wenn...

...mein Göttergatte plötzlich ein Angebot hätte, für zwei Jahre nach D zu gehen? Müsste ich mich dann freuen oder in Panik ausbrechen? Wir hatten das ja gerade -- die Vorzüge des Lebens hier, die Schwierigkeit des Sich-Wieder-Eingliederns. Aber wenn das für Shai karrieretechnisch eine wunderbare Chance wäre. Und wenn ich so die Möglichkeit hätte, beruflich vorübergehend ein bisschen kürzer zu treten, um mehr Zeit für meinen Spatz zu haben. Und wenn dass ausserdem unserem kleinen König (und auch meinem Mann!) helfen würde, sein Deutsch zu festigen. Und wenn wir so wenigstens für einige Zeit meiner Familie ein bisschen näher sein könnten. Wäre es dann wert, darüber nachzudenken?

Ich habe bisher immer gesagt, dass ich Angst habe zurückzugehen, weil ich weiss, dass es nur vorübergehend sein wird. Denn wir sind uns einig, dass unsere Basis hier in Israel ist. Angst davor, wieder gehen zu müssen, nachdem man sich gerade erneut eingewöhnt hat. Wieder Abschied nehmen zu müssen. Aber auch ein bisschen Angst davor, wie es sein wird, als Jude in D zu leben. Wie es sein wird, dort Kinder aufzuziehen, nachdem man hier so verwöhnt worden ist. Unsere Moshav ist das reinste Paradies für Yair. Aber vielleicht gibt es ja ebenso viele Gegenargumente, oder Argumente, die diese Gründe entkräften. Ich muss da mal ein bisschen drüber nachdenken.

Mittwoch, 24. Januar 2007

Und was, wenn er unschuldig ist?

Noch ganz kurz, bevor ich den Tag beschliesse...

"Zornige Bürger" betitelt heute Die Zeit ihren Artikel über Moshe Katzav (und die übrigen politischen Skandale in Israel). Es mag schon stimmen, dass die meisten Israelis desillusioniert und empört sind, sogar wütend. Aber dann gibt es auch noch Menschen wie meine Schwiegermutter, die sich mir während der Nachrichten, nachdem sie einen furiosen Katzav faustschüttelnd den Journalisten gegenüberstehen sehen hat, zuwendet und leise fragt: "Und was, wenn er unschuldig ist?"
Da erinnere ich mich an den Tag, an dem seine Wahl zum Präsidenten bekannt gegeben wurde. Wie damals ein Leuchten über das Gesicht meiner Schwiegermutter ging! Endlich ein "Farsi", der die Anerkennung bekommt, die ihm gebührt. Mit ihm konnte sie sich identifizieren: Auch er wurde in Iran geboren; auch er kam als kleiner Junge mit seinen Eltern nach Israel und lebte die ersten Jahre in einem bescheidenen Lager für Neueinwanderer; auch er hatte sich hochgearbeitet, es zu etwas gebracht. Richtig glücklich war sie.
Und nun dies. Das kann sie nicht fassen, damit kann sie nicht umgehen. Arme Hana. Vielleicht fällt es ihr schwer, diese Niederlage nicht persönlich zu nehmen. Ein bisschen kann ich es ihr ja nachfühlen. Trotzdem frage ich mich vielmehr, woher Katzav die Unverfrohrenheit nimmt, sein Amt nur "vorrübergehend" niederzulegen.

Ob die Waschmaschine wohl endlich ausgewaschen hat? Ich möchte endlich in mein Bettchen schlüpfen.

Sprachwelten

Ich bin fassungslos. Da sitze ich endlich startbereit mit einer Tasse Tee, gedämpftem Licht und leiser Hintergrundmusik vorm Computer, rufe meinen Blog auf – und starre dann auf folgende Nachricht:
Blogger and Blog*Spot are unavailable right now. We apologize for this interruption in service.
Details
Blogger is undergoing unscheduled maintenance this morning. We hope to resume service shortly.

Ein paar Minute später dann diese Erfolgsmeldung:
Server Error
The server encountered a temporary error and could not complete your request.
Please try again in 30 seconds.

Wunderbar. Dann texte ich jetzt also erstmal offline. Heute hat Safta Hana Yairi vom Kindergarten abgeholt, wie sie das jetzt eigentlich recht regelmässig einmal pro Woche macht. Yair geniesst es uneingeschränkt und lässt sich, wenn ich ihn dann abhole, kaum überreden, seine Jacke anzuziehen. Und ich kann so etwas länger
arbeiten, ein paar Stunden vor oder nachholen, damit ich im Durchschnitt meine Minimum-45-Stunden-Woche einhalten kann (das muss ich manchmal einfach betonen, weil in Deutschland doch so gerne über die Rückkehr der 40-Stunden-Woche geklagt wird). Na ja, ursprünglich hatte ich vor, mir an solchen Tagen mal zwei oder drei Stunden etwas Gutes zu tun – Einkaufen vielleicht oder Fitnessstudio, das ich kaum noch von Innen kenne -, aber dieser Traum hat sich schnell zerschlagen.
Heute jedenfalls war halb Arbeit, halb Vergnügen angesagt; es stand mal wieder ein STC-Ereignis an. Diesmal hat Lisa, meine ehemalige Kollegin, vorgetragen, über „Content Models and How You Make Them Work for You.“ Dabei ist mir wieder einmal bewusst geworden, mit welcher Leichtigkeit ich mich inzwischen zwischen den Sprachen hin und her bewege. Und jeder Bereich ist klar abgegrenzt. Zu Hause sprechen wir eigentlich Hebräisch, manchmal Deutsch (mit Yair natürlich immer!), ganz selten noch Englisch, wenn ich mal wieder zu müde bin oder mein Hebräisch an seine Grenzen stösst. Bei der Arbeit reden wir technischen Redakteure Englisch untereinander, aber mit dem Rest der Kollegen Hebräisch. Das hätte ich mir früher nie träumen lassen.
Wenn ich daran denke, wie schwer ich mich hier anfangs getan habe. Ich erinnere mich auch noch wie gestern an jenen Tag an der Uni, kurz vor meinem Auslandssemester in den USA, als Professor Frese mir nach einem Auswahlgespräch auf den Rücken klopfte und sagte, „Mädchen, an ihrem Englisch müssen Sie aber noch etwas tun.“ Junge, das war mir aber ein Ansporn! Heute sind Kollegen in meinem Bereich erstaunt, dass Englisch nicht meine Muttersprache ist. Und Israelis wundern sich über meinen fehlenden Akzent. Darauf bin ich schon ein bisschen stolz. Das gebe ich gerne zu. :-)
Was Sprache für mich bedeutet und wie sich diese Bedeutung für mich im Laufe der letzten Jahre verändert hat, darüber sinne ich ein anderes Mal nach... Als ich hierher kam, war die Deutsche Sprache jedenfalls das Stückchen Heimat, das ich in mir trug. Ein bisschen zu Hause, das mir blieb, obwohl ich hier mit niemandem Deutsch reden konnte. Aber bevor ich mich jetzt in diesem Gedankengang verliere, höre ich lieber auf. Das ist ein Post für sich.

Dienstag, 23. Januar 2007

Die Büchse der Pandora

... hat mein Kollege David heute für mich geöffnet. Vermutlich bin ich einige der wenigen Nicht-Eingeweihten, die www.pandora.com bisher noch nicht kannten. Morgen jedenfalls werde ich meine Kopfhörer mit zur Arbeit nehmen und erstmal lustig draufloshören. Ausser im Auto komme ich ja fast nicht dazu, mir mal "meine" Musik anzuhören. So viele Klänge, die ich schon ewig nicht mehr gehört habe oder fast vergessen hatte. Wie glücklich einen Musik doch machen kann. Ich schwebe auf Wolken...

Kostproben...

... aus dem Leben eines Zweijährigen.
Heute Nacht bin ich mit einem RUMMMS aus dem Schlaf aufgeschreckt, als Yair vor seinem Bett aufschlug. Dort haben wir natürlich in weiser Voraussicht alles gepolstert, aber aufgewacht ist er diesmal schon -- und geweint hat er, aber wohl mehr vor Schreck als vor Schmerz. Selber Schuld? Seit Gitterbettchen steht schon seit August verwaist im Raum. Mein Sohnemann hat sich das Gästebett zur Traumburg erklärt. Die ist natürlich nicht gesichert, und deshalb gehen wir in Kürze erstmal auf Bettenschau.
Abendessen. Wie immer möchte mein kleiner Sohn nur "Griessbrei mit Rosinen, Ima! Aval RAK Griessbrei!" (Aber NUR Griessbrei!) Zufrieden löffelt er dann vor sich hin, bis er plötzlich eine Ladung für mindestens Drei Richtung Mund schiebt. "Hey," sage ich, "der Löffel ist ein bisschen voll. Schau mal, wir nehmen etwas herunter." Schon zuviel. Sofort läuft er rot an, schreit wie am Spiess, schleudert den beladenen Löffel von sich, dass es nur so spritzt. Erst als er schliesslich schläft, komme ich dazu, die Reste von meinen Klamotten zu kratzen. Sogar meine Uhr ist völlig verschmiert.
Bettgehzeit. Yair sitzt fröhlich plappernd in der Badewanne. Wasser ist sein Revier. Selbst wenn er den ganzen Tag quengelt, wird er beim abendlichen Wasserplantschen sanft wie ein Lamm. Ob das vom Babyschwimmen der ersten Monate herrührt, sei mal dahingestellt. Ich verlasse jedenfalls für etwa eine Minute den Raum, um seinen Schlafanzug und eine Windel herbeizuschaffen. Als ich die Tür wieder aufschiebe, sehe ich gerade noch, wie seine Hand den vollen Eimer neben der Badewanne leert. Ich schäume vor Wut (ist schliesslich nicht das erste Mal), reisse die Badematte hoch, verfrachte sie blitzschnell in den angrenzenden Waschraum und schnappe mir mit der anderen Hand einen Aufnehmer. Als ich mich dem kleinen Teufel wieder zuwende, schaut er mich keck an, hebt seinen Arm -- und schüttet den zweiten Eimer über den Rand. Dafka. Wundert es da jemanden, wenn die Oma aus D ihn mit "Hallo kleiner Rackerbass!" begrüßt? Yair aber reagiert empört. "Ani LO Rackerbass!" (Ich bin kein Rackerbass!) Ist das übrigens ein gängiger Begriff, oder sagt er nur Menschen aus meiner Heimatregion etwas?
Dabei belasse ich es für heute... Sogar zu Hause brauche ich inzwischen Ellbogen!

Montag, 22. Januar 2007

Politische Verantwortung

Eines der ersten Dinge, die ich gelernt habe, als ich nach Israel gegangen bin, war die Sache mit der Politik. Ganz am Anfang habe ich ein paar Mal den Versuch gestartet, mit meinen Eltern über die politische Situation hier zu sprechen. Besser gesagt, sie ihnen zu vermitteln. Aber ich kam einfach nicht gegen die voreingenommene Berichterstattung in D an. Ich habe leider nicht Lilas Talent, die Dinge darzustellen und lasse mich schnell mundtot machen. Oft scheinen mir die Argumente der anderen stärker, überzeugender. Dann beginne ich an meiner eigenen Sichtweise zu zweifeln, statt sie zu verteidigen. Oder mir fehlen die richtigen Worte. Das läuft ja im Endeffekt auf das Selbe hinaus. Wenn Freunde und Bekannte mich fragten, ob ich denn von den "Unruhen" etwas mitbekäme, ob es denn nicht gefährlich sei, bin ich daher sehr schnell dazu übergegangen abzublocken. Ja, dort wo wir wohnten, sei alles ruhig. Ausser in den Nachrichten bekämen wir davon eigentlich nichts mit. Was ja auch so stimmt. Mehr oder weniger jedenfalls, und abgesehen von der Tatsache, dass ich nie mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahre und zwischenzeitlich monatelang öffentliche Plätze wie Einkaufszentren und Cafés gemieden habe.
Aber Tatsache ist, dass ich mich bei solchen Antworten immer unwohl gefühlt habe, mich auch noch immer und in zunehmendem Masse unwohl fühle. Denn eigentlich hat diese Haltung dazu geführt, dass ich mich von den politischen Nachrichten abgewandt habe. Unbewusst jedenfalls, aber das ist mir erst in letzter Zeit wirklich bewusst geworden. Wenn im Auto auf dem Weg zur Arbeit die Nachrichten beginnen, schalte ich schon nach wenigen Sekunden automatisch gedanklich ab, selbst wenn ich mir kurz vorher geschworen habe zuzuhören. Und das ist eigentlich längst kein Sprachproblem mehr. Wenn ich höre, dass ein zweijähriges Mädchen, das am Vortag von einem Küchenschrank begraben worden ist, in der Nacht im Krankenhaus gestorben ist, dann horche ich auf. Dann möchte ich auf der Stelle weinen und mein Gesicht in den Händen vergraben. Aber wenn Politik geredet wird, dann kommt das bei mir irgendwie nicht mehr an. Mir kommt also nicht nur die deutsche Rechtschreibung abhanden, sondern auch die politische Verantwortung. Und damit fühle ich mich schlecht. Denn im Grunde ist es ja so, dass ich gar nicht mehr mitdiskutieren kann, weil mir einfach zu viel Hintergrund fehlt. Das ist eigentlich unentschuldbar in einem Land wie diesem, in dem man doch nicht umhin kommt, Stellung zu beziehn. Und so ermahne ich mich und nehme mir vor, diese Situation zu ändern. Das braucht natürlich Zeit und Konsequenz, aber die muss ich einfach aufbringen.

Farsi Kitchen und Grießbrei mit Rosinen

Mein Göttergatte weilt schon wieder in D. Diesmal ein bisschen länger, um am Freitag meinem Papa einen Geburtstagsüberraschungsbesuch abzustatten. So ist er erst am Samstag wieder hier, aber Yair und ich machen uns einfach ein paar schöne Tage. Ich geniesse den Luxus, ein paar Abende ganz für mich zu haben.
Unser persisches Abendessen am Freitag, Geburtstagsgeschenk (auch bei uns gibt es davon im Januar so einige) für Shais Mama, war ein voller Erfolg. Alle haben sich die Finger geschleckt, und Hanah war zu Tränen gerührt. Am nächsten Tag rief sie an um zu sagen, dass es der schönste Geburtstag war, den sie je erlebt hat. Da waren dann die acht Stunden Töpfeklappern im Nu vergessen. Schliesslich hat mir das Kochen ja auch Spass gemacht. Und dass ich einen Topf ruiniert habe, weil die „goldene Kruste“ leider ein bisschen zu golden wurde, das ist ja nicht der Rede wert. Hier ist das Menü:


  • Gurken-Tomaten Salat

  • Tahdig (Reis mit goldener Kruste)

  • Fesenjān (Geschmortes Hühnchen in Walnuss-Granatapfel-Sosse)

  • Khoresh-e Estenāj (Spinat"Eintopf")

  • Khoresh-e Na'na Ja'fari (Minz-Petersilien-"Eintopf")

  • Miveh (Früchtesalat mit Datteln und getrockneten Feigen)

  • Ranginak (Süssspeise mit Datteln und Nüssen)



Oh, und nicht zu vergessen Brot mit Mandeln und getrockneten Aprikosen, ofenfrisch serviert.

Seit ein paar Wochen schon verlangt Yair jetzt immer lautstark abends „Grießbrei mit Rosinen“. Den bereiten wir dann zusammen zu: ein bisschen Apfel, eine Handvoll Rosinen, ein paar Löffel Grieß, eine Prise Zimt und nicht zu wenig Milch, aufkochen, fertig – und ab in Mund, Nase und Augen. Ich schlecke dann nachher immer eifrig den Topf aus.

Übrigens ertappe ich mich in letzter Zeit immer häufiger dabei, dass ich meine Deutsche Rechtschreibung überprüfen muss. Das ich wirklich zu peinlich. Dem muss ich jetzt ganz gezielt entgegen wirken...

Mittwoch, 17. Januar 2007

Trotzkopf



Und so rennt die Zeit dahin. Unser Wochenende im Norden liegt schon wieder scheinbar ewig zurück. Es war wunderbar; wir haben Winzereien besucht und Weine probiert, sind gewandert, haben uns die Vogelwelt im Hula-Tal angeschaut, gut gegessen, verhältnismässig viel geschlafen und einfach nur genossen. Wie so oft haben wir uns vorgenommen, dass wir solche Ausflüge unbedingt öfter machen müssen. Aber ob wir das auch in die Tat umsetzten? Mehr Fotos gibt es hier.

Jetzt steht das nächste Wochenende an -- und da bin ich gefragt. Wir haben vor kurzem ein persisches Kochbuch in die Hand bekommen (das meinem Chef gehört), das aber leider vergriffen ist. Da Shais Oma aus Persien kommt und auch seine Mutter, die am Dienstag Geburtstag hatte, die persische Küche liebt, haben wir das Buch als Geburtstagsgeschenk kopiert und gebunden. Es ist wunderbar aufgemacht, zweisprachig Englisch-Persisch. Und jetzt der clou: Shai hatte die geniale Idee, ich könnte doch seine Mutter samt Familie mit einem persischen Essen überraschen... Und so werde ich morgen kräftig mit den Töpfen klappern.

Eigentlich freue ich mich schon seit Tagen darauf, denn erstaunlicherweise macht mir das Kochen seit einiger Zeit unheimlich viel Spass. Das liegt aber sicher auch daran, dass ich nur einmal in der Woche in der Küche stehe und nicht jeden Tag etwas zaubern muss. Heute morgen duftete unsere Wohnung wieder wunderbar nach Brot, diesmal mit Walnüssen und getrockneten Aprikosen (dank unserer Brotmaschine kaufen wir schon seit September kein Brot mehr). Probiert habe ich es allerdings noch nicht.

Yair ist derzeit auf dem sicheren Weg in die Trotzphase, oder "the terrible two", wie es im Englischen so schön heisst. Nichts könnte treffender sein. Sobald etwas nicht nach seinem Willen geht, fängt er wie wild an zu schreien. Jedes Mal, wenn ich ihn in seinen Autositz verfrachten will, buckelt er und brüllt wie am Spiess, weil er doch viel lieber nach vorne klettern und im "Cockpit" ein bisschen spielen will. Oh boy, und das ist sicher erst der Anfang...


Auf der anderen Seite ist er dann wieder so unglaublich süss, wenn er morgens verschlafen zu mir ins Badezimmer schlurft, sich die Augen reibt, blinzelt und als erstes sagt: "Ima, lo holechet la awoda!" (Mama, nicht zur Arbeit gehen! -- ungefähr jedenfalls, grammatisch nicht ganz korrekt.)

Bei der Arbeit ist der Stress abgeebbt. Jetzt muss ich mich erstmal wieder an das Arbeiten ohne Druck gewöhnen. Da lässt man sich dann so leicht zu allen möglichen anderen Dingen verführen. Bloggen beispielsweise... Denn dazu komme ich ja sonst nicht. Zu Hause gibt es schliesslich ständig andere Dinge zu erledigen. Die letzten beiden Abende habe ich damit verbracht, Fotos seit meiner Schwangerschaft in Alben zu stecken. Zwei sind schon voll, eins muss ich wohl noch kaufen. Aber so kommt endlich mal ein bisschen Ordnung rein. Ach, und wie sentimental ich geworden bin, als ich die ersten Bilder von Yair wieder in Händen hielt. Wie doch die Zeit vergeht, jetzt ist er schon so gross. Irgendwie hat jedes Alter seinen eigenen Reiz.

Jetzt aber Schluss, ich muss wirklich etwas tun hier...

Montag, 8. Januar 2007

Suppenfrühstück oder: Die jiddische Mamme

Heute muss ich mir einfach die Zeit zum Bloggen nehmen...

Man stelle sich vor: Heute Morgen um 7:30 saß ich mit meinem Chef und seiner Mutter in unserer Büroküche, löffelte scharfe asiatische Suppe und kaute nebenbei selbgebackenes Brot mit getrockneten Aprikosen. Köstlich, beides, auch wenn es nicht zusammenpasste und als Frühstück eigentlich völlig unmöglich ist.

Seit die Mutter meines Chefs aus Kanada angereist ist, bringt er sie täglich mit zur Arbeit und umsorgt sie, als wäre er selber die "jiddische Mamme". Dann sitzt sie im Büro um die Ecke, mit dem Laptop, den ich derzeit abends täglich mit nach Hause schleppe, um Überstunden einzulegen, und schaut indische Filme -- eine Leidenschaft meines Vorgesetzten. Dass sie sie so spannend oder amüsant findet wie er, wage ich zu bezweifeln.

Dabei muss ich anmerken, dass mein Chef umwerfend ist, ein ganz besonderer und überaus interessanter Mensch. Dass er schwul ist, erklärt vielleicht einiges (ich darf das sagen, denn es ist ja lieb gemeint -- schliesslich ist mein kleiner, ferner, gelieber Bruder das auch): gutaussehend, liebevoll, aufmerksam, witzig. Man sagt, 80% aller technischen Redakteure (zumindest hier in Israel) seien introvertiert, und die übrigen 20% würden zu Managern.

Jedenfalls ist es wunderbar, für ihn zu arbeiten. Morgens grüsst er mich mit "Good morning, blond sunshine!", und wenn ich im Urlaub weile, simsts er mir, um zu sagen, dass er mich mehr vermisst, als er gedacht habe. Überflüssig anzumerken, dass er solche Dinge nur von sich geben kann, weil er schwul ist.

Freitagabend hat er übrigens den perfekten Gastgeber gespielt und uns ein köstliches persisches Abendessen gezaubert, das Shai sehr beeindruckt hat und auf das Shais Oma stolz gewesen wäre. Wir hatten einen sehr netten Abend und haben sogar das erste schwule Paar kennengelernt, das die Anerkennung seiner (im Ausland geschlossenen) Ehe hier rechtlich eingeklagt hat.

Übrigens fahren wir übers Wochenende mit Freunden in den Norden. Auch wenn ich noch nicht weiss, wann ich die Zeit zum Packen finden soll, freue ich mich schon sehr. Vielleicht fahren wir zum Hermon hoch, um uns den Schnee anzusehen, den Deutschland uns im Dezember verwehrt hat.