Mittwoch, 29. März 2006

Von wuselnden Schlafanzug-Wichteln

Die Zeit rennt mir davon, und ich komme nicht mal zum Schreiben. Jetzt sind schon fast zwei Wochen vergangen seit meinem letzten Eintrag, und sie waren nicht mal besonders ereignisreich.
Shai hat sich entschlossen, für das nächste akademische Jahr noch mal Bewerbungen einzureichen. Um seine Chancen zu verbessern, fliegt er Ende April für zehn Tage in die USA: Chicago, Philadelphia, Boston, San Francisco. Nette Route, oder? Er wird alle "seine" Schulen besuchen und sich ausserdem mit Mickey treffen, der ja seit August in Berkeley studiert.
Die Wahlen am Dienstag sind eigentlich recht unbemerkt an mir vorübergegangen -- da ich ja ohnehin nicht wählen kann, dank der Deutschen Gesetzteslage, die mir eine Doppelstaatsbürgerschaft verwehrt. Nicht, dass ich dadurch irgendwelche bemerkenswerten Nachteile hätte hier. Wenn ich die hätte, könnte ich vielleicht eine Genehmigung auf Beibehalt der Deutschen Staatsbürgerschaft durchdrücken -- aber mir geht es auch ohne Israelischen Pass gut. Ich darf sogar bei Lokalwahlen meine Stimme abgeben; nur Wahlen zur Knesset sind mir verwehrt.
Ich habe also einen freien Tag mit Yair genossen (Shai hat Stress bei der Arbeit und war trotz "Shabaton" den ganzen Tag im Büro). Wir haben ein bisschen eingekauft, unter anderem Förmchen und Schüppe für den Strand und eine Baseballkappe gegen die Sonne (damit sieht er wirklich umwerfend aus!!!), und sind dann zum Strand gezogen, um ein bisschen zu buddeln und zu bauen und uns "das grosse Wasser" mal ganz aus der Nähe anzugucken. Das Wetter war perfekt -- ein bisschen Sonne, aber gerade so warm, dass wir nicht gefroren haben. Für Israelis natürlich kein Strandwetter, deshalb waren wir auch fast alleine. Ausser ein paar Joggern und Hunden mit ihren Herrchen war niemand da. Es war wunderbar. Dann sind wir gemächlich wieder nach Hause gezuckelt, haben gegessen, ein bisschen bei den Nachbarn gesessen und Shais Eltern besucht.
Gegen 19 Uhr konnte Shai sich endlich von der Arbeit loseisen. Wir haben Yair noch ein bisschen bei Saba und Safta gelassen und sind nochmal auf Sofa-Schau gegangen. Entschieden haben wir uns noch nicht, aber so langsam kristallisieren sich unsere Favoriten heraus. Wird aber auch wirklich Zeit, dass wir das Sofa von Shais Eltern entsorgen. Es hat schliesslich schon etwa 20 Jahr auf dem Buckel und sieht inzwischen mehr schäbig als schön aus.
Habe ich erwähnt, dass Sting nach Israel kommt?! Gestern habe ich Karten für sein Konzert am 8. Juni gekauft. Freu mich jetzt schon drauf!!!
Ansonsten habe ich meinen Urlaub eingereicht, damit ich Opas 80. Geburtstag mitfeiern kann. Nachdem ich schon Papas 50. und Omas 80. verpasst habe, ist das ja nun wirklich ein Muss!
Heute Nacht stellen auch wir (endlich) die Uhr um. Ich freue mich ja auf die helleren Abende, aber dass meine Nacht deshalb um noch eine Stunde gekürzt wird, gefällt mir gar nicht. Auch ohne diesen Wechsel sind wir in den letzten Wochen chronisch müde, zumal Yair in letzter Zeit noch früher als sonst aufwacht. 6:30 ist da noch mässig.
Heute morgen ist er übrigens zum ersten Mal alleine aufgestanden (aus unserem Bett) und hat mich gesucht! Ich habe mir die Haare gefönt, als ich plötzlich ein lautes schluchzen zu hören glaubte. Fön aus, Tür auf -- und da steht der kleine Mann verschlafen aber weinend im Schlafanzug vor mir. So ein süsser Fratz! Als ich etwas später zur Arbeit fahren musste, hat er herzzerreissend geweint. Das geht mir wirklich durch Mark und Bein. Da habe ich es doch lieber, dass er noch schläft, wenn ich mich auf den Weg mache...

Samstag, 18. März 2006

Wharton heisst warten

Am Donnerstag hat Wharton entschieden und Shai auf die Warteliste gesetzt. Jetzt müssen wir bis zum 18. Mai auf die nächste Entscheidung warten. Das ist fast noch schlimmer als eine Absage, denn jetzt wissen wir immer noch nicht, ob wir hier bleiben oder gehen. Aber gedanklich richten wir uns eigentlich darauf ein, dass Shais Traum zumindest in diesem Jahr Traum bleiben wird. Und alles hat ja auch seine guten Seiten. So können wir erstmal unser Leben hier ungestört weiter leben. Zum Beispiel Urlaube planen und ein bisschen in die Wohnung investieren. Ein neues Sofa ist längst überfällig, und den Trocker erträume ich mir auch schon viel zu lange. :-)
Am Freitag haben wir Yair für September im Kinderhort von Rachel Levi angemeldet. Dort hat er sich von Anfang an am wohlsten gefühlt; hat sich sofort in eine Ecke gesetzt und gespielt und sich dann den anderen Kindern genähert. Schüchtern ist er kein bisschen, und an Selbstvertrauen fehlt es ihm nicht. Manchmal ist es schwer zu verstehen; wenn ich an mich selbst als Kind denke...
Bei Rachel gibt es 15 Kinder und drei Erzieherinnen. Rachel ist wie eine Mutter zu ihnen, und man hat das Gefühl, es ist nicht ihr Geschäft, sondern ihre Berufung. Ihr Hort hat Sonntag bis Donnerstag von 7:30 bis 17 Uhr geöffnet und Freitags bis 12 Uhr. Ich bezweifle ja, dass Yair Freitags oft dort sein wird. Schliesslich möchten wir am Wochenende selber unsere Zeit mit ihm verbringen. Schlimm genug, dass wir in der Woche so wenig Zeit für ihn haben. Ausserdem gehen wir Freitag morgens ja zum Schwimmen, zumindest bisher noch.
Shai und Yair sind gerade duschen, und ich warte auf ein Zeichen, um mit dem Handtuch bereitzustehen. Gleich ist das Wochenende schon vorbei, und es war mal wieder viel zu kurz...

Montag, 13. März 2006

Purim sameach


Shai ist noch immer sehr enttäuscht über die Absage von Kellogg und glaubt, dass er seine MBA-Pläne begraben muss. Ich finde, er sollte die Hoffnung nicht ganz aufgeben. Wenigstens bis Donnerstag nicht -- dann fällt Wharton eine Entscheidung.
Am Wochenende war Sybil bei uns, nachdem sie Michael zum Flughafen gebracht hat. Freitag abend haben wir Yair bei Hana und Avraham gelassen (für alle drei ein Fest!) und endlich mal wieder ungestört ein bisschen gefeirt, bei Amir. Trotz Shais Absage gab es einen kleinen Grund, denn ich bin am Donnerstag befördert worden. Jetzt bin ich "Senior Information Developer", und mein Gehalt ist noch ein bisschen gestiegen. Wen würde das nicht freuen!
Samstag morgen haben wir im "Mezzo" am Yachthafen in Herzliya gefrühstückt, mit Sybil, Deganit, Ori und Ofek. Blauer Himmel, Sonnenschein, eine leichte Brise, kurz: es war wunderbar. Allerdings plagt mich noch heute der Sonnenbrand, den ich mir zugezogen habe... Yair hat es genossen und ist durch die Gegend gewirbelt wie ein Wilder.
Am Sonntag dann habe ich meinen kleinen Spatz früh abgeholt und bin mit ihm zur Adloyada nach Ra'anana gefahren. Als kleiner Drache ist er unter den vielen Prinzessinnen, Clowns, Elefanten, Marienkäfern, Cowboys, usw. gar nicht gross aufgefallen. Er fand sein Kostüm prima, vor allem das Kreischen des Drachen auf Knopfdruck. Für mich war es ein bisschen anstrengend, mit Kind und Kinderwagen durch die Menge zu schieben, zumal Yair ja nicht sitzen, sondern laufen wollte. Aber schön war es trotzdem, und gelohnt hat es sich.
Osnei Haman (Hamantaschen) habe ich auch schon genug gegessen. Deshalb ist es gut, dass heute der eigentliche Purim Feiertag ist -- und dann ist Schluss mit dem Naschen. Vielleicht komme ich ja dann doch mal wieder öfter ins Fitnessstudio...? Shai würde es freuen. Er drängt mich schon immer, mein Abo zu kündigen, weil ich sowieso nur maximal einmal pro Woche gehe. Aber so habe ich wenigstens die Option -- und der Wille, öfter zu trainieren, ist ja da, bloss den Weg sehe ich nicht, weil ich immer so erschlagen bin. Habe ich erzählt, dass ich am Sonntag um 22:00 Uhr ins Bett gegagen bin???

Donnerstag, 9. März 2006

Good-bye Kellogg

Heute hat Shai seine erste Absage bekommen. Er war so enttäuscht, dass er morgens gar nicht ansprechbar war und mittags, selbst am frühen abend noch nur bedingt. Wir haben so viel Arbeit in die Bewerbung gesteckt (und Geld). Und natürlich ist es eine persönliche Zurückweisung -- das tut weh. Inzwischen trägt er es schon mehr mit Fassung. Es sollte halt nicht sein. Eine kleine Hoffnung gibt es ja noch, und die heisst Wharton. Dass Stanford, Harvard, oder MIT sich noch melden, daran glaubt er ohnehin nicht mehr.

Und so sah die Nachricht aus:
Dear Shai:

The Admissions Committee has completed its review of your application for the Kellogg School of Management and Two-Year Program. Despite your many merits as a candidate, I regret to inform you that we are not able to offer you a place in the entering class.

The Admissions Committee carefully evaluated your application in the following areas: work experience, career plans, academic ability and performance, extracurricular and community involvement, leadership and interpersonal skills. Decisions are based upon a thorough evaluation of your individual strengths and weaknesses, as well as your qualifications relative to all others in our applicant pool. This decision is not a reflection of your personal qualities and achievements or your potential for success in management, but merely a reflection of the limited number of places in the class.

We certainly wish you the best of luck in your future endeavors, and thank you for your interest in the Kellogg School of Management and Two-Year Program .

Sincerely,

Beth Flye
Director of Admissions and Financial Aid

Dienstag, 7. März 2006

Knockout oder die Wunder der Medizin

Am Sonntag hat Yair gegen seinen zwar minimalen aber dafür sehr hartnäckigen Schnupfen von Dr. Sloan einen Saft verschrieben bekommen. Den soll er jetzt einen Monat lang nehmen, und wenn er nicht hilft, müssen Antibiotika her.
Vorgestern abend habe ich ihm also die erste Portion verabreicht, Shai dann gestern Morgen die zweite. Um 10:45 Uhr -- ich sitze gerade am "runden Tisch" mit etwa 12 Kollegen, der Personalleiterin und unserem Geschäftsführer hier (und ich sitze genau zwischen den beiden) -- rufen Andi und Ruti an. Schnell schleiche ich mich aus dem Raum. Yair schlafe schon den ganzen Morgen, habe noch nicht mal sein Fläschchen getrunken, das er sonst zwischen 8 und 8:30 bekommt. Ob das von der Medizin kommen könne?
Keine Ahnung. Voller Sorge rufe ich direkt den Kinderarzt an, aber der ist natürlich erst nachmittags in der Praxis. Rückversichere mich bei Shai, dass er Yair morgens wirklich nur 2,5 ml gegeben hat. Rufe Andi zurück und schleiche mich dann wieder ins Konferenzzimmer, auf meinen strategisch geschickten Platz.
11:45 klingelt wieder mein Handy. Andi. Erneut schleiche ich mich nach draussen. Yair schlafe immer noch. Es scheine ihm gut zu gehen, er atme normal und habe kein Fieber, aber sie könnten ihn nicht wecken, er schlafe immer wieder ein. Ich weiss mir keinen Rat, versuche noch einmal, den Arzt zu erreichen. Diesmal ist die Sprechstundenhilfe am Apparat. Nein, Dr. Sloan sei noch nicht da, er komme in etwa einer halben Stunde. Ich schildere ihr das Problem. Sie schaut im Computer nach, um welche Medizin es sich handelt, meint dann aber kategorisch, daran könne es nicht liegen, die sei zu sanft. Ich solle aber später noch mal anrufen und mit dem Doktor sprechen.
Also zurück in die Besprechung. Fünf Minuten später -- mein Handy klingelt. Noch einmal schleiche ich mich aus dem Zimmer. Andi. Yair sei jetzt aufgewacht und trinke sein Fläschchen. Alles in Ordnung. Er sei zwar noch etwas verschlafen, aber sonst gehe es ihm gut. Ich bin erleichtert, möchte aber trotzdem mit dem Arzt sprechen. Erneut kehre ich zurück an den Runden Tisch, um die abschliessenden Bemerkungen unseres Geschäftsführers zu hören.
Als ich um 12:40 endlich Dr. Sloan am Aparat habe, meint er, natürlich, das könne von dem Medikement herrühren. Ich solle einfach die Dosis auf 1,5 ml herabsetzen. Kein Grund zur Sorge, das könne vorkommen.
Trotzdem besorge ich mir später in der Apotheke eine Spritze, damit ich genau abmessen kann. Ausserdem will ich überprüfen, ob der Messbecher, der zum Saft gehört, in Ordnung ist. Aber alles stimmt. 2,5 ml mit der Spritze sind 2,5 ml im Messbecher.
Gestern abend habe ich Yair also nur 1,5 ml gegeben. Trotz seines ausgedehnten Vormittagsschlafes hat er ab 20:45 geschlafen. Gegen Mitternacht hat er nochmal kurz geweint, wie üblich, aber als ich mich um 6:30 auf den Weg zur Arbeit gemacht habe, schlief er immer noch brav in seinem Bettchen. Ich hoffe sehr, dass dieser Tag besser verläuft und die Medizin anschlägt -- aber nicht so wie gestern.

Montag, 6. März 2006

Von Wuuuus und anderen Dingen


Am Samstag haben wir endlich Sybille und Michael besucht, die im Januar in ihre eigene Wohnung gezogen sind -- nach drei langen Jahren im Hause von Michaels Mutter. Jetzt wohnen sie im Kibbutz Dgania. Es ist traumhaft dort, für Kinder ein Paradies!
Wir haben Yair mit zu den Kälbchen und Kühen genommen. Einige waren erst wenige Tage alt und so süss! Yair war völlig perplex, wohl aber auch, weil er müde war. Später in der Hundepension eines anderen Kibbutz hat er ähnlich grosse Augen gemacht. Und als ein Eselpaar uns mit kräftigem "Iaaaaa" begrüßte, wusste er gar nicht mehr, was los ist. Als Shai seine Hand geführt hat, um einen der Esel zu streicheln, hat Yair ein bisschen ängstlich und ungläubig gelächelt -- und sich dann richtig gefreut. Ich glaube, er hatte einen wunderbaren Tag.
Später hat er dann die ersten Haman Ohren in seinem Leben gegessen. Und eine ganze Kiwi, unpüriert vom Löffel. Erdbeeren findet er übrigens auch klasse, und Mais ebenso -- den hat Shai ihn gestern zum ersten Mal probieren lassen. Jeden Tag eine Premiere.
Habe ich schon erzählt, dass Yair mit wachsender Begeisterung "Aba" und "Mama" sagt? Und seit neuestem läuft er aufgeregt zum Fenster, wenn er draussen einen Hund bellen hört, und ruft laut "Wuuuu!", was wohl soviel wie "Wauwau!" heissen soll. Es macht so viel Spass, ihn dabei zu beobachten, wie er die Welt entdeckt und begreift.
Nächste Woche ist übrigens Purim (am 14.). Die Adlojada ist in Ra'anana schon am Freitag (10.). Wir werden sie uns gemeinsam mit Deganit, Ori und Ofek anschauen. Das heisst auch, dass ich für Yair eine Verkleidung kaufen muss. Oder vielleicht auch nur eine Mütze mit Hasenohren oder sonst irgendetwas lustiges. Ich freu mich schon.