Montag, 19. Februar 2007

Entscheidungsräume

Uns steht eine schwere Entscheidung bevor. Von Shais letztem Versuch, seinen MBA doch noch in den USA zu machen, habe ich ja hin und wieder schon erzählt. Im Moment sieht es ganz gut aus, immerhin haben vier Schulen ihn interviewt. Die Antworten werden irgendwann im März eintrudeln. Wenn es also nur dies wäre, hätten wir kein Problem. Dann würden wir bei einer positiven Antwort wohl übersiedeln. Aber jetzt hat Shai auch ein konkretes Angebot, ein paar Jahre für seine Firma nach D zu gehen. Ich habe das hypothetisch im Januar schon mal kurz erwähnt. Was also tun? Welche Richtung einschlagen?

Wir zerbrechen uns den Kopf, haben schon Listen gemacht mit Für- und Wider-Argumenten. Gestern hat Shai sich ausserdem mit einem Karriere-Coach getroffen, um Hilfestellung zu bekommen. Meiner Familie gegenüber (ihr lest ja hier eh nicht mit!) habe ich von D noch nichts erwähnt, damit sie nicht enttäuscht sind, falls es nicht klappt oder wir uns anders entscheiden.

Ich selber bin natürlich völlig zerrissen.

D wäre eine nette Fortsetzung unseres Lebens hier. Es würde unsere hiesige Routine durchbrechen, aber auch Dinge fortsetzen oder vertiefen, die wir hier begonnen haben, aber nicht genug verfolgen konnten. Shais Deutsch beispielsweise, oder Yairs Sprachentwicklung im Deutschen, oder die Beziehung zu meiner Familie und zur deutschen Kultur. Ausserdem hätte ich die Möglichkeit zu arbeiten, ohne unbedingt zu müssen, und finanziell wäre der Schritt sehr gut vertretbar. Nur karrieremässig brächte er Shai nicht allzu sehr voran.

USA dagegen bedeutet, aus allem gewohnten auszubrechen. Ich hätte vermutlich keine Arbeitserlaubnis, Shai würde wieder studieren gehen, wir müssten einen Kredit für die Finanzierung aufnehmen, unser Lebensniveau für zwei Jahre reduzieren -- willkommen zurück im Studentenleben. Hätten wir nur Familie in einem Land statt in zwei Kontinenten, wäre das Problem vermutlich kleiner. Sprächen wir zu Hause nur eine Sprache statt zwei. Aber so? Shai tendiert gefühlsmäßig zu diesem Schritt -- MBA in den USA ist nun mal sein Traum. Rational jedoch ist er viel schwerer vertretbar, weil wir als Familie nun mal mit dranhängen. Hat der den Zug verpasst?

Ich weiss einfach nicht, was ich für mich möchte. D wäre nett, für begrenzte Zeit. Aber USA könnte mehr Impulse bringen. Jeden Abend reden wir uns die Köpfe heiss, diskutieren weit über die normale Zu-Bett-Geh-Zeit hinaus. Tendieren mal hierhin, mal dorthin. Eins jedenfalls ist sicher: Egal, wohin wir gehen -- ich werde mir ein bisschen mehr Zeit für Yair gönnen. Eine Auszeit nehmen. Und darauf freue ich mich.

7 Kommentare:

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Fuer einen Israeli ist ein MBA schon wichtiger fuer die Karriere als eines aus Deutschland. Alles, was aus den USA kommt, ist in Israel besser. :-) Ich beneide euch nicht um die Entscheidung.

Miriam

Jeanne hat gesagt…

Da gebe ich dir völlig Recht -- der Einfluss der USA hier ist enorm (das hat mich am Anfang sehr erstaunt), und vieles wird unhinterfragt für besser erklärt. Was den MBA anbelangt, so sind allerdings wirklich die besten Schulen dort drüben. Und in D würde mein Mann auch nicht studieren, sondern für seine jetzige Firma arbeiten.
Ich beneide uns auch nicht um die Entscheidung. :)

Anonym hat gesagt…

hi jeanne,

also wenn ich auf der stelle deines mannes waere wuerde ich den mba eindeutig vorziehen. das scheint mir jedenfalls interessanter zu sein als in deutschland zu leben. aus gewohnheiten auszubrechen kann uebrigens sehr spannend sein, allerdings habe ich auch den vorteil nur fuer mich alleine entscheiden zu muessen, ich brauche niemand anderen zu fragen und wenn die entscheidung falsch war ist das ganz alleine mein problem ....

liebe gruesse,
grenzgaenger

Jeanne hat gesagt…

Oh ja, aus Gewohnheiten ausbrechen betrachte ich eigentlich als etwas Positives. Aber es kann auch daneben gehen, ganz gewaltig sogar. Aus Gewohnheiten bin ich ja auch damals schon ausgebrochen, als ich nach dem Studium meinen Rucksack geschnürt habe und zu meinem Liebsten nach Israel gezogen bin. Diesmal ist es allerdings etwas anderes, obwohl es mich schon sehr reizt.

Anonym hat gesagt…

liebe jeanne,

mein kommentar war nicht als "angriff" gemeint. ich verstehe deine situation voellig. ich schrieb ja das ich nur fuer mich verantwortlich bin, das ist fuer mich ein guter grund single bleiben zu wollen, obwohl ein familienleben natuerlich auch seine vorzuege hat. aber ich bin schlicht zu egoistisch dazu. wenn man das fuer sich selbst eingesehen hat sollte man andere mit dieser eigenschaft nicht belasten - ist meine ganz private meinung. du hast ja mal im zusammenhang mit dem buch "spaete familie" geschrieben, wie tragisch es ist wenn familien zerbrechen und natuerlich hast du voellig recht. bei zeruya schalev wird dieses zerbrechen ja auch ganz drastisch geschildert. da ich mich selbst kenne bleibe ich also lieber single und treffe meine entscheidungen nur fuer mich alleine. wenn sich entscheidungen dann hinterher als fehler erweisen ist das mein ganz eigenes problem und niemand ausser mir traegt dafuer die verantwortung. nochmal, liebe jeanne, das ist nicht boese gemeint, du hast sicherlich gute gruende fuer deine entscheidungen, ich halt auch :-)

liebe gruesse,
grenzgaenger

Jeanne hat gesagt…

Hey, ich habe das gar nicht als Angriff verstanden. Habe ich etwa so geklungen? Im Gegenteil, ich habe dir recht gegeben. Aus Gewohnheiten ausbrechen ist spannend, und ich denke, man kann es auch mit Familie noch tun, muss aber dementsprechend vorsichtiger sein und vorher alles genau durchdenken (denn so wie die "Späte Familie" möchte ich wirklich nicht enden). Und das machen wir ja momentan.

Anonym hat gesagt…

hi jeanne,

tja, das sind die tuecken der virtuellen kommunikation :-)

im mai bin ich wieder in eretz israel und dann koennen wir das ganze ja bei einer tasse tee diskutieren, vielleicht, so g"tt will, werden wir zusammenkommen !

liebe gruesse,
grenzgaenger