Mittwoch, 20. Juni 2007

Meinen Pass geb ich nicht her

Dass wir zur Zeit unter Volldampf stehen, hat mir nicht geholfen, pünktlich zum Vortrag zur Deutsch-israelischen Doppelstaatsbürgerschaft im Goethe Institut Tel Aviv zu erscheinen. Als alle auf ihren Stühlen Platz nahmen, steckte ich noch immer auf der Namir im Stau (die Taxispur half da nicht viel weiter). Zehn Minuten vor Schluss schlich ich mich schliesslich in den Vortragssaal, nachdem der Pförtner auf meine Frage, ob es sich denn noch lohne, achselzuckend geantwortet hatte: "Jetzt sind Sie doch schliesslich hier."

Der Raum war brechend voll. Da sassen sie, meine Deutschen, einer brav neben dem anderen, etwa 40 an der Zahl. Wo verstecken die sich bloss im Alltag? Lösen sie sich im Cyberspace auf?

Mit einigen von ihnen möchte ich jedenfalls nicht tauschen. Diese armen Menschen, die Aliyah gemacht, automatisch die israelische Staatsbürgerschaft erhalten haben und jetzt ihren Pass nicht mehr verlängert bekommen, weil die deutschen Behörden einfach beschlossen haben, die seit langem herkömmliche Praxis für Deutschjuden und ihre Nachfahren zu ändern. Nur jene, die seit ihrer Einwanderung bereits einen neuen Pass ausgestellt bekommen haben, brauchen sich in Zukunft keine Gedanken zu machen. Alle anderen müssen die israelische Staatsbürgerschaft innerhalb der ersten drei Monate nach der Aliya ausschlagen und das ausgestelle Zertifikat auf "Non-Acquisition of Israeli Citizenship" wie einen Augapfel hüten. Meines jedenfalls ruht selig in einer Klarsichthülle in meiner Dokumentemappe, bis in alle Ewigkeit.

Ich kann mich nur immer wieder selbst beglückwünschen, dass ich 2004 das richtige getan und nicht auf die israelischen Behörden gehört habe. "Kann nicht sein", wurde mir damals gesagt. "Deutsche können immer ihren Pass behalten!" Mein Verweis auf eine Änderung der Praxis wurde mit einem schiefen Blick achselzuckend zur Kenntnis genommen. "Dann eben nicht."

Hätte ich damals anders gehandelt, hätte ich also nicht nur meine deutsche Staatsbürgerschaft aufs Spiel gesetzt, sondern auch die des kleinen Mannes. So allerdings kann uns nichts passieren. Und vielleicht, vielleicht ändert Deutschland ja doch irgendwann mal seine Gesetzgebung? Im Zeitalter der Globalisation mutet die Grundregel der Vermeidung von Mehrstaatigkeit geradezu lächerlich an. Da schliesst jemand einfach die Augen vor der Realität.

Auch was den Antrag auf Beibehalt der deutschen Staatsangehörigkeit angeht, habe ich das richtige getan und es bleiben lassen. Das wäre reine Zeitverschwendung gewesen. Ich habe zwar keine Probleme, meine bestehenden Bindungen an Deutschland nachzuweisen -- aber konkrete Nachteile auf persönlicher Ebene ohne die israelische Staatsbürgerschaft sind mir noch nicht untergekommen.

Kurz: Ich habe zwar gestern nichts neues gelernt, bin aber mit einem Gefühl grosser Erleichterung nach Hause gefahren. Die Gesichter einiger "Mitbürger", die plötzlich realisierten, dass sie einen verheerenden Fehler gemacht haben, werde ich so schnell nicht vergessen. Da gehst du als Deutscher ahnungslos (?) zu einem Vortrag und verlässt den Raum mit dem Wissen, dass dein noch gültiger deutscher Pass keine rechtliche Grundlage mehr hat. Du bist kein Staatsbürger mehr. Es hat sich ausgedeutscht. Ein bängstigender Gedanke. Mensch, bin ich froh!

10 Kommentare:

IO hat gesagt…

Marco hat ein ähnliches Problem. Er ist als Italiener in Deutschland geboren worden, bekam 1976 - als dies dann in Deutschland möglich war - auch noch die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit 18 musste er sich entscheiden, allerdings haben die Italiener diese Entscheidung nie offiziell akzeptiert.

Da Marco aber brav seinen Zivi gemacht hat, hat in Deutschland niemand mehr nach seiner italienischen Staatsbürgerschaft gefragt.

So bekommt Marco weiter seine italienischen Wahlunterlagen als Auslandsitalieren und darf eigentlich nur Deutscher sein. Deshalb traut er sich auch nicht, seinen alten italienischen Pass zu verlängern/zu erneuern. Wäre in Italien gar kein Problem. Nur was, wenn das jemand in Deutschland merkt...

Jeanne hat gesagt…

Larissa, das Problem liegt auf der deutschen Seite. Er kann in Italien ruhig den neuen Pass beantragen, aber wenn er einen neuen deutschen Pass braucht, dann muss er in dem auszufüllenden Formular eidesstattlich erklären, ob er noch andere Staatsbürgerschaft hat. Wenn er Falschangaben macht, macht er sich strafbar. Falls das auffliegt, könnte ihm das noch mehr Probleme bescheren. Das Problem ist, dass er zwar in Deutschland, aber nicht als Kind mindestens eines deutschen Elternteils geboren wurde. Deshalb musste er sich mit 18 Jahren entscheiden. Bei Yair ist das anders; er wird sich nie entscheiden müssen, weil ich Deutsche bin. Verstehe einer diese Rechtslage...

IO hat gesagt…

Marcos Mutter ist Deutsche, Marcos Vater Italiener - ich weiß aber auch nicht so ganz genau wie das funktioniert.

Als Marco geboren wurde haben die Kinder damals in Deutschland automatisch die Staatsbürgerschaft des Vaters (!) bekommen.

Ich muss mal nachfragen wie das mit dem Pass lief.

Jeanne hat gesagt…

Wenn seine Mutter Deutsche ist, dürfte das Problem eigentlich nicht bestehen. Es sei denn, sie hat seinen deutschen Pass nicht innerhalb der ersten zwei Lebensjahre beantragt. Dann verliert man nämlich das Recht. Heute zumindest -- wie es früher war, weiss ich natürlich nicht.

Anonym hat gesagt…

liebe jeanne,

es gibt auch andere positionen wie z.b. die von lea fleischmann. sie ist sehr froh keinen deutschen pass mehr zu haben und sie hat sehr gute gruende dafuer ....

viele gruesse,
grenzgaenger

Miriam Woelke hat gesagt…

B"H

Ich habe nach meiner Aliyah bewusst die israelische Staatsbuergerschaft angenommen, obwohl mir aus Bayern kommend bekannt war, dass ich aufgrunddessen meine deutsche verlieren werden.
Bereut habe ich den Schritt nicht, denn mit der israel. Staatsbuergerschaft kann ich gut leben. Bin ich halt Auslaender in Deutschland. Mein Deutsch ist eh schlecht geworden.:-)

Anonym hat gesagt…

Hallo,

heißt das, dass man in Israel auch ohne israelische Staatsbürgerschaft leben kann (also nur mit der deutschen)?? Ich habe nämlich die Möeglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit vor meiner Aliyah nach Israel zu bekommen, und bin im Moment nicht sicher, welche ich wählen sollte, da die beiden miteinander ja nicht vereinbar sind. Zurzeit habe ich bulgarische Staatsangehörogkeit, aber sie gibt mir nicht die gleichen Rechte wie die deutsche. Danke!

Jeanne hat gesagt…

Ja, das kann man ohne weiteres! Wenn du Aliyah machst, musst du allerdings direkt sagen, dass du auf die israelische Staatsbürgerschaft verzichtest. Dafür musst du ein Formular unterschreiben (und gut aufbewahren, als Nachweis!). Wenn du das versäumst, stellen die israelischen Behörden automatisch einen israelischen Pass für dich aus.

Ich konnte keine wirklichen Nachteile in Israel ohne einen israelischen Pass ausfindig machen. Du kannst sogar auf kommunaler Ebene wählen, nur eben nicht für die Knesset. Du bist dann halt "permanent resident" und hast ein teudat zehut (Personalausweis) wie jeder Israeli.

Viel Glück!

Jeanne

Anonym hat gesagt…

Hallo Jeanne,

vielen Dank für die schnelle Antwort! Ich habe nämlich gehört, dass man evtl. bei der Jobsuche einen Nachteil haben könnte, wenn man keine israelische Staatsangehörigkeit nachweisen kann. Manche Arbeitgeber sollen sich nämlich weigern, solche Leute einzustellen, vor allem im öffentlichen Bereich... hast du von so was gehört?

Bleiben das Recht auf Arbeiten und alle anderen Ole-Chadash-Vorteile bestehen(Sprachkurs, Absorbtion Basket etc.)?

Ich weiß auch nicht, wie es aussieht, wenn man die israelische SA zu einem späteren Zeitpunkt doch beantragen will.

Vielen Dank & viele Grüße

Jeanne hat gesagt…

Wenn du in einen dieser Berufe willst, die israelische Staatsangehörigkeit verlangen, dann kannst du einen Antrag auf Beibehaltung der Deutschen Staatsbürgerschaft stellen, denn dann hast du ja einen ganz konkreten, persönlichen Nachteil ohne die israelische Staatsbürgerschaft. In diesem Fall solltest du gute Chancen haben, dass der Antrag durch kommt. Auf mich traf das nicht zu, deshalb habe ich mich nicht darum gekümmert. Generell aber hast du als Ola Chadasha aber eine Arbeitserlaubnis und auch anspruch auf den Sal Klita (absorbtion basket).

Ich weiss allerdings nicht, wie es ist, wenn du nachträglich dann doch noch die israelische Staatsbürgerschaft annehmen willst. Eigentlich sollte es kein Problem sein, aber die Behörden könnten sich natürlich schon anstellen, weil du praktisch beim ersten Mal abgelehnt hast.

Viel Glück bei deiner Entscheidung!

Jeanne