Ich mag Friedhöfe. Ich liebe die Ruhe, die dort herrscht. Ich wandere gerne durch die Reihen, lese die Inschriften und versuche mir vorzustellen, welche Lebensgeschichten sich dahinter verbergen.
Der Friedhof von Even Yehuda liegt inmitten von Wiesen und Feldern. Ein schmaler, sandiger Weg führt auf einen kleinen Schotterparkplatz, von dem aus es nur wenige Schritte bis zum eisernen Eingangstor sind.
Gestern drängten sich dort Autos und Menschen dicht zusammen. In der sengenden Nachmittagssonne entwickelten sich leise Gespräche zwischen fassungslosen Bekannten, Freunden, Verwandten. Viele wischten sich ununterbrochen die Augen oder schnieften, weil sie in der Hektik nicht an Taschentücher gedacht hatten.
Mit halbstündiger Verspätung bahnte sich schliesslich der Wagen mit Hilas leblosem Körper durch die Menge. Kurz darauf näherten sich die engsten Angehörigen, eine Familie jemenitischer Einwanderer, darunter Hilas Kinder -- ein fünfzehnjähriger Sohn und eine sechszehnjährige Tochter -- und ihre Mutter, laut klagend und weinend, gestützt von Hilas Geschwistern. "Kacha at holechet?!" rief sie immer wieder. "Kacha?!" (So gehst du?! So?!)
Die Eltern fast aller Kindergartenkinder hatten sich eingefunden. Hilflos standen sie herum, bis sich die Masse in Bewegung setzte, um Hila zu ihrer letzten Ruhestätte zu begleiten. Erinnerungen blitzten auf. Hila mit den Kindern auf dem Spielplatz. Hila beim Spülen. Hila zwischen Kindern und Bauklötzen. Hila in ihrem grünen Auto auf dem Weg nach Hause. Hila. Ihre schlanke Gestalt. Die tiefe, rauchige Stimme. Die dunkle Haut, das schwarze Haar. Ihr Lachen. Hila ist nicht mehr. Das ist alles, was bleibt.
Mit hängenden Schultern schlichen wir zurück zu unseren Autos, warteten geduldig, bis alle Blockaden sich aufgelöst hatten und der Weg frei geräumt war. Ein letzter Abschied. Dann senkte sich erneut Stille über den Friedhof, hin und wieder durchbrochen vom Schrei eines Vogels, der hoch über den Feldern seine Kreise zog oder vielleicht in einer der hohen Kiefern ruhte.
Heute spielt Yair wieder im Kindergarten. Sicher sitzt er gerade im Sandkasten und backt Erdbeerkuchen. Ob er sich fragt, warum Hila nicht kommt? Sie ist auf eine weite Reise gegangen. Weiter noch als Amerika. Viel weiter.
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