Montag, 8. Juni 2009

Sarah's Key

ist vermutlich der erste Holocaust-Roman, den ich seit meiner Magisterarbeit gelesen habe. Lange hat mich kein Buch mehr so berührt. Die Tragik des Ungeheuerlichen, dieser Horror, der unschuldigen Menschen widerfährt, Kindern noch dazu, erzählt in einer klaren, einfühlsamen Sprache, die ihrerseits dazu führt, dass man mitten im Geschehen steht, in beiden Strängen. Tatiana de Rosnay versteht es, beide Erzählungen geschickt zu verweben, und so überspringt der Leser in der ersten Hälfte des Romans unaufhörlich 60 Jahre, bewegt sich in zwei Welten, erfährt in der einen Entsetzliches und versucht in der anderen, damit klarzukommen, wenngleich das unmöglich ist. Genau wie Sarah, genau wie Julia hat mich in den letzten Nächten der Gedanke an den kleinen Jungen im Schrank nicht losgelassen, zumal er in Yairs Alter war. Sarahs Geschichte endet, als sie selbst und Julia das Ende Michels entdecken. Kurz danach flacht die Erzählung ab, verliert an Tiefe und Dichte. Die Besessenheit Julias, die zerbrochene Ehe, ihre Rückkehr nach Amerika mit dem neuen Baby, das abschliessende Zusammentreffen mit William -- all das wirkt mehr konstruiert als wirklich realistisch. Trotzdem ist es ein Buch, das aufrüttelt und Eindruck hinterlässt. Erinnern, nicht vergessen. Dass hier die anderen die Geschichte hervorholen und bewahren, während die eigentlich Betroffene sich in Schweigen hüllt, ist bittere Ironie.

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